"It kills me sometimes how people die."
Markus Zusak in Die Bücherdiebin
gegenwärtige Vergangenheit
Thema dieser Arbeiten sind die Verbrechen des zweiten Weltkrieges, die Hinterbliebenen, der Schock des Begreifens der Unmenschlichkeit. Ein Thema das mich seit Jahren tief berührt. Ich suche hierbei permanent nach Möglichkeiten, dieses bildgewaltige Thema anzugehen, ohne zu stigmatisieren oder anzuklagen. Was ich möchte, ist mein Gefühl zu übermitteln, meine tiefe Bestürzung für mich selbst und andere greifbar zu machen. Mit den herausgeschnittenen Situationen möchte ich meinen Respekt vor diesem Thema zeigen, außerdem inhaltliche und künstlerische Verbindungen und Bedeutungen hervorheben. Sowohl in meinen zeichnerichen Arbeiten als auch in weiteren Techniken wie z.B. der Malerei oder der Radierung. Letztendlich ist es nicht wichtig, ob meine Bilder zeitlich einzuordnen sind, im Gegenteil. Ich möchte dass sie und vor allem ihr Thema zeitlos bleibt, damit es nicht als Vergangenheit verstanden wird sondern als allgegenwärtig. |
Zeichnung
In ihren virtuosen Zeichnungen nutzt Sarah Kammer als Quellmaterial hauptsächlich Schwarz/Weiß-Fotografien aus dem zweiten Weltkrieg, die Wehrmachtsverbrechen, ihre Opfer und Hinterbliebenen zeigen. Sie wählt bestimmte Bildausschnitte allerdings so, dass der Inhalt des Fotos nicht mehr genau erfassbar ist, Ausschnitte von Gesichtern beispielsweise, die „alles mögliche“ zeigen könnten und allgemein werden. In technisch bewusst verlangsamten Arbeitsprozessen lädt Sarah Kammer die Zeichnung psychisch so auf, dass ihre starken Emotionen über das schreckliche Geschehen in großer Intensität spürbar werden, ohne genau benannt zu sein. Der Schritt in einen Bereich des nicht mehr Benennbaren spiegelt die unfassbare Dimension des Geschehenen in einer direkten Analogie künstlerischer Realisierung. Auch wenn die Zeichnungen gegenständlich erscheinen, lassen ihre emotionale Abstraktion vom Spezifischen ins Allgemeine den zeitlosen Archetypus des blanken Erschreckens über etwas Unfassbares spüren.
Bernd Petri Katalogtext über Diplomausstellung